Hildesheim: Bushaltestellen gekapert für Protest gegen Bundeswehr

Die Gruppe „Militanter Aufräum Dienst“ hat am Samstag im Hildesheimer Stadtgebiet zahlreiche Schaukästen an Bushaltestellen geöffnet, um Protestplakate gegen die Bundeswehr zu platzieren. Die Plakate persiflieren aktuelle Werbekampagnen der Bundeswehr.
Anlass für das in Kenner*innenkreisen auch als „Adbusting“ bezeichnete Kapern und ironische Umdeuten von Werbung war der eigentlich geplante „Tag der Bundeswehr“ am 13.06., der aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden musste. Stattdessen ruft die Gruppe zum „Tag ohne Bundeswehr“ auf.

Bekenner*innenschreiben auf indymedia
Ihre Ablehnung der Bundeswehr und ihrer Rekrutierungskampagnen machen die Verursacher*innen auch mit den gewählten Sprüchen wie „Kriegspropaganda zu Klopapier“ oder “In Schulen: Dekolonialisieren statt Rekrutieren”, mehr als deutlich. Die Erklärung liefert der „Militante Aufräum Dienst“ in einem Schreiben, welches auf de.indymedia.org, einer Medienplattform der radikalen Linken veröffentlicht wurde. Dort heißt es, dass Soldat kein Beruf sei, sondern eine „Lizenz zum Töten und Sterben“ und, dass die Kampagnen der Bundeswehr diesen Aspekt absichtlich verschweigen würden. Außerdem werfen sie den Verantwortlichen vor Katastrophen wie die Coronapandemie auszunutzen.

Bundeswehr inszeniert sich in der Pandemie
“Dass die Bundeswehr taktisch manövrieren kann und die Mittel der psychologischen Kriegsführung unverhohlen einsetzt, zeigt sich an ihrer Propagandamaschinerie. Sie nutzt Katastrophen zur Selbstinszenierung. Wie schamlos dies geschieht, zeigt ihre aktuelle Rhetorik, welche kontinuierlich die Wichtigkeit der Armee zum Katastrophenschutz hervorhebt. Ohne ihr Personal und ihre Ausrüstung, wie mobile Labore und Feldlazarette, hätte es Deutschland viel schlimmer erwischt, so der Tenor.“ heißt es in dem Bekenner*innenschreiben auf indymedia.org. Tatsächlich bestätigt sich diese Behauptung bei der Sichtung der Profile der Bundeswehr in den sozialen Medien.

Bundeswehr im Innern?
Parallel wurde von Regierungspolitiker*innen und dem Verteidigungsministerium immer lauter über Einsätze der Bundeswehr im Inneren nachgedacht. Dabei reichte das Spektrum der Vorschläge vom Einsatz von Soldat*innen in Uniform auf den Straßen um die Zivilbevölkerung auf die Einhaltung der Abstandsregeln hinzuweisen, über Grenzschutz und Sicherung bis hin zur Übernahme von Polizeiaufgaben.
“Anstatt die Bundeswehr kritiklos zu zelebrieren und Soldat*innen zu Held*innen zu erklären, sollte die Zivilgesellschaft die Bedeutung einer Bundeswehr und die Art der Grenzen, die sie aufrecht zu erhalten versucht, kritisch hinterfragen.“ heißt es weiter in dem Bekenner*innenschreiben. Dass der Einsatz der Bundeswehr im Inneren verboten ist, habe schließlich historische Gründe.

Geht doch!
Einige der Plakate sprechen der Stadt Hildesheim ein deutliches Lob aus. „Militärgelände zu Naturschutzgebieten. Geht doch!“ spielt offensichtlich auf das Naturschutzgebiet Lange Dreisch und Osterberg auf dem ehemaligen Standortübungsplatz der Bundeswehr an und „Kasernen zu Krankenhäusern. Geht doch!“ auf das Helios-Klinikum auf dem ehemaligen Kasernengelände an der Senator-Braun-Allee.
Die Gruppe äußert sich diesbezüglich deutlich: „Wir wollen zeigen, was es für alternative Verwendungen von Militär-Liegenschaft gibt und fordern, allen Militärbesitz zivilen Nutzungen zuzuführen. Wir begrüßen es sehr, dass Hildesheim keine Garnisonsstadt mehr ist und forden die komplette Entmilitarisierung Deutschlands.“

Mit dem sogenannten Adbusting hat die Polizei in Hildesheim bis jetzt wenig Erfahrung gesammelt.
„Bis jetzt wurden wir in Hildesheim kaum damit konfrontiert“ sagt ein Polizeisprecher.

GETZ und MAD beschäftigen sich mit Berliner Adbustings
In anderen Städten wie zum Beispiel Berlin sieht das anders aus. Nicht nur im Verfassungsschutzbericht sind Adbustings gelandet, auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum von Bund und Ländern” (GETZ) haben sich damit beschäftigt. Auch Hausdurchsuchungen gab es schon.³
„Wir sehen es sehr kritisch, dass der MAD und die Polizei die Zeit finden, sich mit Lapalien des Strafrechts rumzuschlagen, während rechte Gruppen und Menschen in ihren eigenen Reihen unangefochten handeln können.“ äußert sich die Gruppe zur Kriminalisierung von Adbustings.

Die Adbustings gegen den Tag der Bundeswehr am 13.06. hängen über das ganze Stadtgebiet verteilt. Wenn diese noch nicht abgehängt wurden, haben alle interessierten Bürger*innen noch die Möglichkeit, einen Blick darauf zu werfen.

Bekenner*innenschreiben:
https://de.indymedia.org/node/88327

Adbusting im Verfassungsschutzbericht:
https://taz.de/Kriminalisierung-von-Adbusting/!5664706/

MAD und GETZ beschäftigen sich mit Adbustings:
https://blogs.taz.de/streetart/2020/03/11/gegen-geheimdienst-und-rassismus/

Hausdurchsuchungen:
de.indymedia.org/node/83306